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9/10

Der Wahnsinn in Reinkultur. Dabei mitreißend und tollwütig und gut. Pflicht!

Frankreich. Das Land der Avantgarde. Stete Progression, stetes Austesten der Grenzen, stete Großartigkeit. Ob es beispielsweise GOJIRA im Extrem-Metal ist oder ALCEST im Post Black Metal: Das Land der Tricolore hat derzeit sehr viel zu bieten. AKPHAEZYA aus Orléans bilden da keine Ausnahme unter den Ausnahmen und stellen die Speerspitze in ihrem ganz eigenen Genre. Okay, das ist keine Leistung, denn ohne Mitbewerber keine Konkurrenz. Aber in der heutigen Zeit der musikalischen Überflutung ein eigenes Genre zu bespielen ist ja die eigentliche Leistung. Doch was ist das eigentlich für ein Genre?

Am ehesten konstituiert wird der Sound von AKPHAEZYA wohl durch den tollen und einzigartigen Gesang von Stéphane Béguler, die wohl so gut wie alles kann, manchmal innerhalb weniger Sekunden. Chanson? Check. Power Rock? Check. Alternative? Check. NIGHTWISH-Trällerei-mit-den-Eiern-von-VIRGIN-STEELE-Gedächtnis-Metal? Check. Die Sanftheit in Person? Check. Ab und zu darf auch Nehl Aëlin ran, dann werden die Vocals extremer und fallen in der Qualität im direkten Vergleich etwas ab. Das passiert so in 'Sophrosune', nebeneinandergestellt wirken die Growls wie das Husten eines heiseren Hundes, während der weibliche Gesang engelsgleich darüber schwebt. Nicht missverstehen, das ist genau so geplant, doch wird hier die unterschiedliche Qualität der Technik offenbar. Das tut dem Gesamtsound allerdings keinen Abbruch und macht sich als recht einsamer Punkt auf der Kritikseite auch nicht schlecht.

An den Keyboards macht der männliche Sänger einen weit besseren Job, das Klavier wabert, angestoßen von den anderen Instrumenten, zwischen rockallesker Prog-Epik bis hin zu jazzigen Tunes und erinnert mich in der versierten Power an Esbjörn Svensson vom gleichnamigen Trio – Gott habe ihn selig. Ansonsten erwarten den Hörer ein Strauß von verschiedensten musikalischen Elementen, von Groove über Rock über Jazz, spanischer Gitarre, Chanson bis hin zu totalem Wahnsinn ist da alles, aber auch wirklich alles dabei. Ja, wer nun verschämt nach Japan blickt und denkt, "Mann, SIGH habe ich die letzten Jahre ganz schön vernachlässigt", der hat in diesem Monat die ultimative Quest: Kaufe zwei verrückte Alben, die gemeinsam totaler Wahnsinn sind und zeigen, was man über den Metal hinaus alles machen kann, um die Mental-Kliniken dieses Landes wieder mit Material zu füllen.

Fazit: Noch verrückter, noch besser als auf ihrem Debüt "Anthology II: Links from the Dead Trinity" präsentieren AKPHAEZYA ihren absoluten Wahnsinn also auf Album Nummer 2. Wem SIGH teils immer noch zu black ist – geht das überhaupt? –, BETWEEN THE BURIED AND ME zu viel in der Core-Weltgeschichte herumprügeln und das DIABLO SWING ORCHESTRA zu quietschig klingt, aber auf das Verrückte in der Schokolade nicht verzichten möchte, dem seien die Franzosen wärmstens ans Herz gelegt. Wer dem Wahnsinn im Allgemeinen recht abgeneigt ist, sollte dieses Album tunlichst meiden, auch  wenn die griechische Grundstory auf dem Konzeptalbum auch ansonsten sehr zum Eintauchen einladen würde...


Note: 9.0 / 10
Julian Rohrer, 18.3.2012